Wie schreibe ich einen Songtext?
Wortezauber fragt nach bei Sanja Baumann
Text und Interview: Maike Hartmann.
Midnight Stars heißt der Song, den meine beste Freundin, Sanja Baumann, für mich geschrieben hat. Ich habe ihn das erste Mal auf einem Wohnzimmerkonzert gehört und war sehr berührt. Es ist eine Hommage an unsere Freundschaft, das gegenseitige Vertrauen und das Gefühl von Geborgenheit. Ich habe mich gefragt, wie Sanja es schafft, durch Songs ihre Gefühle und Gedanken zu vermitteln. Und wie sie im Liedtext die Dinge auf den Punkt bringt. Ich fragte sie also: Sanja, wie schreibe ich einen Songtext?
Sanja ist Sängerin und Songschreiberin solange ich sie kenne. Texte schreiben, Melodien arrangieren, singen – darin geht sie auf. Weil ich mich in meinem Praktikum bei Wortezauber intensiv mit dem Texten beschäftige, wollte ich gerne wissen, wie Sanja wohl beim Songtext schreiben vorgeht und wie ein Musikstück entsteht. Im Interview für Wortezauber habe ich sie genau das gefragt. Wir sprechen über den Schreibprozess, die Kraft der Worte und das Zusammenspiel von Melodie und Text.
Über die Macht von Geschichten und die Wirkung des Schreibens
Als ich Sanja von dem Projekt erzählt habe, war sie ganz aufgeregt: Sie freut sich, mir von ihren Erfahrungen zu erzählen. Aus meiner Sicht hat sie eine spannende eigene Perspektive auf das Thema Musik: „Ich glaube, ich wäre schon ein bisschen anders, wenn ich nicht Songs schreiben würde. Wenn ich nicht aufschreiben würde, was ich denke, was ich fühle, würde ich manche Dinge anders verarbeiten als ich es jetzt tue. Musik ist wie ein Begleiter in meinem Leben, sie war schon immer da. Sie ist wie ein Freund geworden.“ Und genau wie ein Freund, macht Musik Mut oder tröstet. Lieder schreiben hilft Sanja, ihre Gefühle auszudrücken und sich selbst klarer zu werden:
„Ich schreibe, um Gefühle festzuhalten, Geschichten nicht zu vergessen und mich selbst zu reflektieren. Schreiben ist meine Therapie und mein Tagebuch zugleich. Wenn ich mich richtig hilflos fühle, sind Stifte und Papier da, die mir helfen den Durchblick im Chaos des Lebens zu behalten. Es ist eine Konstante, der ich vertrauen kann. Ich erzähle nicht nur gerne Geschichten, sondern höre ihnen auch zu. Für Andere zu schreiben ist therapeutisch – für den Verfasser und den Empfänger. Wenn es Menschen schlecht geht, hören sie Musik. Wenn es Menschen gut geht, hören sie auch Musik. Die Worte der Musik verbinden Menschen. So oft habe ich in einer Konzertreihe gestanden und den Worten gelauscht und bin an einer Zeile hängen geblieben, weil sie mich so berührt hat. Dieses Gefühl inspiriert mich immer wieder aufs Neue, zu Schreiben. Für mich und für Andere.“
Worte heilen, Musik hilft zu fühlen
Songs lösen unterschiedliche Gefühle aus: Freude, Trauer, Ergriffenheit oder Spaß – sie berühren und bewegen. Doch was genau macht Textzeilen so interessant, dass wir sie rauf und runter hören? „Ich finde ein catchy chorus is key!“ (ein eingängiger Refrain ist wesentlich) Sanja klatscht dabei mit den Händen im Takt. „Wenn ich ein Lied höre und es danach singe, ist es ein gutes Lied gewesen. Zum Beispiel das letzte Lied auf einem Konzert: Wenn man es nach Verlassen der Konzerthalle noch singt, ist es ein gutes Lied.“ Nicht nur melodisch, sondern vor allem auch inhaltlich muss ein Lied überzeugen, so Sanja. „Was ein Lied interessant macht ist auch die Authentizität des Schreibers, indem seine Lieder eine Geschichte erzählen und das vermitteln, was er gefühlt oder erlebt hat.“
Melodie und Text verbinden sich zu einer Harmonie, die sich im Gedächtnis verankert und Freude erzeugt. Was aber wiegt mehr, der Klang oder der Liedtext? „Es gibt Lieder, die ich für das Experimentieren von Melodien schreibe und weniger für den Sinn meiner Worte. Doch wenn ich mich entscheiden müsste zwischen Text und Melodie würde ich Text nehmen. Wie schreibe ich einen Songtext? Durch Worte entstehen Bilder, die musikalisch festgehalten werden können. Wenn ich Texte meiner älteren Lieder lese erinnere ich mich an das Gefühl von damals. Das geht ganz ohne Melodie.“
Wie schreibe ich einen Songtext – der Schreibprozess beim Songwriting
Ein Song durchläuft von der Idee bis zum Ergebnis viele Stufen und ist immer unterschiedlich, niemals gleich. „Am Anfang steht die Idee. Manchmal sitze ich in der Bahn und hole schnell mein Handy heraus, weil mir eine Liedzeile eingefallen ist, die mein Gefühl gut beschreibt. Ein anderes Mal spiele ich Gitarre und ich finde Gefallen an einer Akkordfolge oder einer Melodie, die ich als Basis benutze für den Text.“
Gefühle zu verbalisieren, die sich als Liedzeile eignen, können bei Sanja in jeder Situation entstehen: „[…] auch mitten im Gespräch. Wenn ich etwas fühle oder erlebe, muss ich es zu Papier bringen und schreibe es erst mal auf. Aber mit der Gitarre zusammen kann sich alles noch mal ändern. Dann fange ich an zu fiedeln und baue darauf den Text auf.“
Der Textaufbau ist wichtig: Songtexte folgen, wie auch andere Textarten, einer bestimmten Struktur. Sie bestehen unter anderem aus Versen und Refrain, Auftakt, Bridge und dem Ende. Die Wirkung eines Songs hat damit aber nur in zweiter Linie etwas zu tun. „Ich denke nicht, dass die Struktur die Qualität eines Liedes bestimmt. Viel eher ist es doch die Wahl der Worte, die Kreativität und die Message, die den Zuhörer einnimmt. Ich glaube auch in gängigen Strukturen zeigt sich die Einzigartigkeit des Künstlers. Niemals schreibt ein Künstler auf gleicher Art und Weise wie der Andere. Nur weil im Radio 99,9% der Lieder aus einer ähnlichen Struktur bestehen, sind sie nicht langweilig oder uninteressant. Sonst würden sie wahrscheinlich nicht im Radio laufen.“
Wie gehe ich mit Schreibblockaden um?
Schreibblockaden lassen sich manchmal nicht vermeiden. Ob es die Themenfindung oder die Wortwahl ist, Kreativität fließt nicht immer frei. Sanja empfiehlt, sich dann auf etwas anderes zu fokussieren. Sie hat damit schon manche Schreibblockade überwunden. „Manchmal schreibe ich dann ein Lied, dass sich mehr auf die Melodie konzentriert, statt auf den Text, um mich davon abzulenken, dass ich gerade nicht sagen kann, wie ich mich fühle. Ich schreibe dann für andere und gewinne dadurch wiederum die Inspiration zurück. Wenn es mal nicht funktioniert, muss man sich das auch verzeihen können, das ist natürlich.“
Was Musik uns lehrt
„Ich habe zwei Instrumente gelernt, Gitarre und Klavier. Über beide Wege habe ich viel Theoretisches gelernt.“ Denn erst durch die Theorie entwickelt sich ein gewisses Gefühl für den musikalischen Prozess. Und genauso ist es beim Schreiben: Je mehr Basiswissen ich vom Texten habe, umso mehr schule ich mein Gespür für Text und Format. Und es gelingt mir gezielter, den Worten die nötige Aussagekraft zu verleihen.
Gefühle als Schlüssel
Das Gefühl ist der Schlüssel, so Sanja. Ob man nun Lieder hört oder schreibt – das Gefühl dient als Antrieb und Fundament, auch als Ziel. „Der Erfolg ist nicht entscheidend, man muss erst einmal auf sich selbst hören und seinen eigenen Stil finden. Das kann ein paar Jahre dauern.“ Sanja ist es wichtig, mit dem Herzen dabei zu sein und die Worte zu fühlen, um sie dann auch authentisch rüber zu bringen und den Zuhörern ein gutes Gefühl zu geben. Das entsteht nicht durch den Gedanken, dass man sich einen Namen machen will – man ist schon genug dadurch, dass man schreibt und ehrlich ist.“
Sanjas top Tipps fürs Schreiben von Songtexten:
1.) Finde ein Thema für deinen Song.
2.) Schreibe deine Gendanken auf.
3.) Finde deinen eigenen Melodie-Stil.
4.) Bei einer Schreibblockade, hilft Ablenkung am besten.